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Wir leben Basisdemokratie

Für einen Kurswechsel in der Urheberrechtsdebatte

Am Dienstag fanden sich Vertreter zivilgesellschaftlicher Initiativen sowie diverser Parteien zu einem Gegengipfelzusammen, um Argumente zu sammeln, die bei der offiziellen Diskussion zur Neugestaltung des Urheberrechts zu kurz kommen. Während am selben Tag Vertreter der Industrie und diverse Interessenverbände ins Justizministerium eingeladen waren, hat die Piratenpartei Österreichs diese Plattform ins Leben gerufen, um den Stimmen aus der Zivilgesellschaft mehr Gehör zu verschaffen. Über der Kritik am aktuellen Arbeitspapier des Ministeriums und konkreten Einzelvorschlägen für eine tatsächliche Modernisierung des Urheberrechts stand ein Generalmotto: nämlich die Stärkung der Rechte der Internetnutzer.

Foto: Daniel Hrncir

Zu Beginn der Diskussion, die von der Falter-Redakteurin Ingrid Brodnig moderiert wurde, fasste Markus Stoff von der Initiative für Netzfreiheit sein Unbehagen über die bislang bekannt gewordenen Vorschläge des Innenministeriums zusammen: „Wir dürfen mehr dafür bezahlen, damit wir leichter und öfter kriminalisiert werden.“ Elisabeth Hakel, SPÖ-Sprecherin für Creative Industries, meinte überhaupt, dass damit ein neues ACTA vor der Tür steht. Das umstrittene Handelsabkommen wurde Anfang dieses Jahres nach massiven Bürgerprotesten zurückgezogen.

Peter Purgathofer, Wissenschaftler und Professor an der technischen Universität Wien stellte klar, dass das Internet neue Voraussetzungen für die Verbreitung von Wissen geschaffen habe und man nicht den Versuch unternehmen solle, mit gesetzlichen Regelungen in die alten Zeiten zurückzukehren. Die Punkte im durchgesickerten Arbeitspapier des Ministeriums weisen aber genau in diese Vergangenheit und das zu Lasten der Rechte der Internetnutzer. Es enthält etwa Vorschläge für Rechtsdurchsetzung durch den Zugriff auf Providerdaten oder ein Abmahnwesen nach deutschem Vorbild.

Die Verlierer: Künstler und Internetnutzer

Von Seiten des Justizministeriums wurde zwar inzwischen dementiert, dass an eine Verwendung der Vorratsdaten für die Verfolgung von Rechteverletzern gedacht sei. Für Markus Stoff ist das aber eine rhetorische Finte. Die angestrebte Verwendung von gespeicherten Providerdaten würde die Vorratsdatenspeicherung noch stärker im Rechtsbestand festschreiben. Joachim Losehand vom Verein VIBE!AT Verein für Internet-Benutzer Österreichs kritisierte vor allem, den Vorschlag für einen Kostenersatz in Höhe von 100 Euro bei “einfach gelagerten Fällen” als konsumentenfreundlich auszugeben. Einerseits sind darin die Anwaltskosten für die Verteidigung noch nicht enthalten und andererseits gebe es keine Definition dafür, was ein „einfach gelagerter Fall“ oder „gewerbliches Ausmaß“ sei. Diese Definitionen müssten dann im Zuge langer und auch für den Steuerzahler äußerst kostspieliger Prozesse erst festgesetzt werden. Davon würden nur Anwälte profitieren, aber nicht die Künstler. Michel Reimon von den Grünen zeigte auf, dass es schon im derzeitigen System massive Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Gelder durch die Verwertungsgesellschaften gebe. So fließen etwa große Anteile in “Bekämpfung von Offline- und Online-Musikpiraterie” und gehen gar nicht an die Künstler selbst. „Wir führen eigentlich keine Urheberrechtsdebatte, sondern eine Verwertungsgesellschaften-Diskussion“, so Reimon.

Foto: Daniel Hrncir

Auswege und Lösungsansätze

Allen Teilnehmern der Diskussion war klar, dass es keine schnelle und einfache Lösung für diese Fragestellung geben kann. Verwertungsgesellschaften und Industrie sind für die Durchsetzung ihrer Interessen gut organisiert und sie haben auch ausreichend Budget für Kommunikation. Genau daran mangelt es jenen, die sich für zeitgemäße Modelle einsetzen. Michel Reimon schlug deshalb die Gründung einer eigenen Verwertungsgesellschaft für Digitalia vor. Jedenfalls braucht es eine stärkere Vernetzung, um alternative Argumente und Modelle in den offiziellen Diskurs einzubringen. Peter Purgathofer plädierte etwa für das vom Chaos Computer Club entwickelte Modell der Kulturwertmark. Dabei zahlen Teilnehmer einen Fixbetrag in ein System ein und bestimmen selbst, an welche Künstlerinnen und Künstler das Geld gehen soll. Elisabeth Hakel von der SPÖ sieht einen Lösungsansatz in einer Breitbandabgabe und betonte die Bedeutung eines Urhebervertragsrechtes. Dieses müsse unbedingt Bestandteil einer Urheberrechtsnovelle sein, um die Position der Kreativen zu stärken. Der Urheberrechtsdialog muss jedenfalls als echter Dialog geführt werden und darf zivilgesellschaftliche Initiativen nicht „aus Platzgründen“ ausschließen.

Am Nachmittag vor der Diskussion hatten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, ihre Wünsche und Bedenken in Form von Videostatement an Bundesministerin Beatrix Karl heranzutragen. Diese werden sukzessive auf www.urheberrechtsdialog.at veröffentlicht.


Kommentare

3 Kommentare zu Für einen Kurswechsel in der Urheberrechtsdebatte

  1. werquer meinte am

    Mittlerweile hat sich etwas getan. Einige zivilgesellschaftliche Initiativen wurden vom BMJ doch noch eingeladen. Siehe etwa hier: . Ein Teilerfolg zu dem unsere Initiative einen nicht unwesentlichen Betrag geleistet hat.

  2. antha meinte am

    Coole Sache.
    Die Idee des CCC ist ja gut, aber ich finde, es müsste doch möglich sein, mithilfe einer Automatik feststellen zu können, wie oft was aus dem Internet runtergeladen wird, nur das Land, von wo heruntergeladen wurde, festzuhalten und dann eben die Höhe des Entgelts aus der Abgabe der Leute entsprechend zu berechnen und an diejenigen weiterzuleiten, die das jeweilige Werk erzeugt haben. Und da wär ich dann durchaus für eine Flatrate, weil das einfacher zu handhaben ist und die Anonymität der Nutzer wahrt. Sonst müsste man bei jedem mitloggen, was er denn zu zahlen hat und dann entsprechend der Nutzerdaten die Höhe der Abgabe vorschreiben – das ginge wieder nur mit Datenspeicherung und dem Zerstören von der jedem Menschen zustehenden Privatsphäre. Die Berechnungen, wieviel an wen dann jeweils abzuführen sind, könnten sicher automatisiert erfolgen. Die Höhe der jeweiligen Flatrate ist auf Grund der sich auf Dauer ergebenden Nutzerdaten/Erfahrungen anpassbar. Die Anbieter müssten sich dazu natürlich irgendwo “registrieren”, um in den Genuss der Abgaben zu gelangen. Sind sie nicht registriert, erhalten sie keine Abgaben. So in etwa könnte ich mir eine Lösung des Problems vorstellen.

  3. Dieter meinte am

    ziemlich sicher hätten die allermeisten AutorInnen sowieso mehr von einem fairen BGE als von “ihrem” Urheberrecht, von wenigen BestsellerMillionärInnen einmal abgesehen:
    eine Autorin mit 3 Kindern hätte nach dem LPD Modell 4000,-/mon. und nach dem Piratenmodell (650,-/Kind, was eigentlich lebensnäher ist) 2950,- (muss sich aber typischerweise mit ein paarmal 5000,-/Jahr plus vielleicht einmal einem Literaturpreis herumschlagen, der einmal vielleicht 10.000,- aber oft nur 1000,- Anerkennungspreis ist; in Summe also deutlich weniger als mit BGE)

    schade, der Urheberrechtsdialog http://www.urheberrechtsdialog.at/ war gut besetzt aber es scheint keinen Ergebnisbericht und keine Zeitungsartikel dazu zu geben: auch im falter.at ist mit den Suchworten “urheberrecht dialog” — also nicht mal zusammengeschrieben — nur ein Artikel vom 21.Feb.2012 (Nr.8) zu finden
    (es geht dort um das Bunny-Lake-Album “The Sound of Sehnsucht” und nicht um den Urheberrechtsdialog)

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